Akyildiz, Akan
„Völlig integriert"
Mit Akan Akyildiz haben wir einen Zivi der besonderen Art vor uns. Gleich zwei Heere wollten den jungen Mann aus Herzberg gern in ihren Reihen sehen, denn er besitzt die deutsche und die türkische Staatsbürgerschaft. „Mittlerweile ist es so geregelt, daß ich nur in einem der beiden Länder meinen Wehrdienst leisten müßte, aber nach sechs Wochen beim Bund wurde ich als Kriegsdienstverweigerer anerkannt, und daher mache ich nun Zivildienst", erzählt Akan munter.
Er geht offenbar mit Engagement und Energie an seine neue Aufgabe heran. Das rührt sicher auch daher, daß er sich seine Zivildienststelle selbst ausgesucht hat. „Eine Freundin hat von ihrem Praktikum im Blindensanatorium Hermann Schimpf in Osterode soviel Gutes erzählt, daß ich auch gern hierher wollte", erklärt Akan lächelnd. „Das Klima hier ist wirklich prima." Das gilt insbesondere auch für die Sanatoriumsgäste selbst, die trotz ihrer Blindheit viel Optimismus ausstrahlen. „Sie kommen ja alle hierher, um Urlaub zu machen, und entsprechend gut gelaunt sind die meisten dann auch", erklärt sich Akan dieses Phänomen.
Natürlich begegnen ihm auch Blinde, die mit ihrer Situation nicht so gut fertig werden. „Durch meine Tätigkeit hier bekomme ich erst den richtigen Sinn dafür, welche Hindernisse sich einem Blinden im normalen Leben entgegenstellen können. Man sieht jetzt ganz anders hin und empfindet, wie froh man über sein Augenlicht sein muß."
Im Blindensanatorium ist man auf die spezielle Behinderung der Gäste eingestellt. In der Regel kommen die Blinden mit einer Begleitperson, die bei der Orientierung in der neuen Umgebung hilft. Akan und seine beiden Zivildienstkollegen Andreas Mackensen aus Osterode und Markus Schirmer aus Hattorf übernehmen die Fahrdienste: Sie holen die Gäste vom Bahnhof ab, fahren sie zu Ärzten, erledigen Einkäufe und organisieren Ausflüge in die nähere Umgebung, zum Beispiel auch auf den Brocken.
Akan, der kurdischer Abstammung ist, hat in Herzberg sein Abitur gemacht. Zu Hause mit seiner Familie spricht er türkisch. Nach seinem Zivildienst will er in Göttingen Geschichte und Sport für das höhere Lehramt studieren. „Geschichte hat mich schon in der Schule besonders interessiert", erklärt Akan. Er sieht sich selbst in der deutschen Gesellschaft für völlig integriert an. „Die meisten meiner Freunde sind Deutsche, ich spiele im Herzberger Fußballverein. Aber ich habe auch nichtkurdische türkische Freunde." Nationale und ethnische Fragen spielen für ihn eben keine Rolle. Durch das Kurdenproblem fühlt er sich nicht direkter betroffen als durch andere Konflikte in der Welt. „Für meine Mutter ist das viel härter, denn wir haben noch Verwandte in der Türkei", räumt Akan ein.
Man nimmt es ihm ab, daß er nicht oberflächlich über diese Themen hinweggeht, aber zugleich will er sein Leben nicht durch die Vergangenheit, familiäre Traditionen und religiöse Vorschriften bestimmen lassen, sondern seine eigenen Vorstellungen bewußt verfolgen. Wenn er es weiterhin so locker und selbstverständlich tut wie jetzt als Zivi, sollte es ihm wohl gelingen!
Foto: Walliser