Betrachtung einer alten Grundner Stadtansicht
Vor beinahe 100 Jahren
BAD GRUND. (WB) In dem Geschichtswerk »Der Harz« von Hans Hoffmann, erschienen 1899, findet sich unter anderem eine gelungene Ansicht der Bergstadt Grund. Der Fotograf blickt von der Höhe des Eichelberges genau auf den Hübichenstein, der damals noch — stolz wie eine mittelalterliche Burgruine — sein Haupt über die Kronen der Buchen des Violenberges erhebt. Eine Perspektive also, die heute in dieser Klarheit bestenfalls noch zu unbelaubter Jahreszeit möglich ist.
Es findet sich auf dem Bild jedoch vieles andere, das inzwischen gänzlich verschwunden oder aber stark verändert worden ist. Da zeigt sich zum Beispiel das gesamte Areal der Ibergsied-lung noch als parzellierte Wiesenbzw. Kartoffelackerfläche, im unteren Teil von einer Buschreihe durchschnitten, die die Hohlwegspur der »alten Eisenfahrt« beidseitig säumt. Als »letztes« Haus, mit vorgesetztem Baumbestand, ist das Grundstück Fleichmann (Bischof) zu erkennen.
Am rechten Bildrand im Mittelgrund grüßt als schmucker Neubau das »Waldhaus« mit seinem Renomiertürmchen vor der Kulisse des Schurf-berges herüber. Auffallend, links - auf gleicher Höhe - das wuchtige Gebäude des »Alten Forsthauses«. Benachbart liegt der einstige »Fuhrherrenhof Kippenberg«, dem sich westlich das kleine Wiesental (heute aufgeforstet) anschließt. Vorn rechts das Haus »Falkeneck« mit Mittelrisalit, Zwerghaus und geschiefertem Dachfirst, ein Anwesen, das einen gewissen Wohlstand dokumentiert.
Die Bildmitte wird beherrscht vom fünffenstrigen Dachreiter des heutigen »Oberharzer Hofes«. Auffällig erinnert diese Darstellung des Grundstückes an den Merianstich von 1654. Ein wenig links davon erscheinen als dunkler Laubstreifen - die Aufnahme kann Ende Juni gemacht sein - die alten Kastanien des Marktplatzes, die in den 50er Jahren den Verkehrsbedürfnissen und der damit einhergehenden Parkplatznot geopfert wurden. Alles überragend die »Bergvilla« mit ihrem fachwerkgekrönten Turm. Ohne Zweifel ein schmuckes Zeugnis heimischer Zimmerkunst aus der sogenannten »Gründerzeit«, der Wilhelminischen Ära. Leider ist die »Blaue Villa« durch das alte Brauhaus verdeckt und auch »Sankt Antonius« läßt nur das Dach des Kirchenschiffes sehen. Dementsprechend fehlt auch die ehemalige »Eisenfaktorei«, und »Römers Hotel« zeigt nur eine Partie seines Daches.
Mit seinem großen Stallgebäude -offensichtlich noch neueren Datums und als Fachwerkbau erstellt - bezeugt das Anwesen Braugasse 3 die ehemals traditionelle Viehhaltung der Bergstädter. Auch die großen Luken, an den Giebeln beider Gebäude (Stall und Wohnhaus) gut zu erkennen, erinnern an die Einlagerung von Heu und Stroh auf den Dachböden, wozu Pollehnen als Aufzüge dienten. Diese Vorrichtungen erfüllten bei Dachausbauten in den Nachkriegsjahren beim Transport von Baumaterial meistens zum letzten Mal ihre Funktion.