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Historische Zeugen der Fabrikstadt Osterode - Teil 12: Die Fabrik Grevenstein

Echo am Sonntag
vom
Sonntag, 14. September 1986
, von Friedrich Armbrecht
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Fabrikstadt Osterode | Firmengeschichte

 

(cap). In der Herzberger Straße baute Friedrich Wilhelm Greve 1830 seinen Betrieb auf. Die Häuser befinden sich heute im Eigentum der Firma Piller.

Steppdecken aus Osterode! Noch heute bezeugt es ein Schild am früheren Bürohaus.  Fotos: cap

Heute stehen die Gebäude leer: rechts das frühere Bürohaus, dahinter das 1925 erbaute Fabrikgehäude Das Gelände machte Schlagzeilen. als sich ein Investor dafür interessierte, der einen Verbrauchermarkt bauen wollte.

Osterode (fa). Der Name dieser an der Herzberger Landstraße gelegenen Fabrik ist heute nurnoch wenig geläufig. Ihre Bezeichnung erhielt sie vermutlich vom Gründer Friedrich Wilhelm Gre-ve (1804 — 1864), einem Sproß der weitverzweigten Osteroder Wollfabrikantenfamilie. Seine Eltern Johann Friedrich Greve (1752 — 1818) und Sophie Ernestine Julie, geb. Hartmann betrieben am Kornmarkt 17 eine Wollwarenfabrikation. Als beim großen Brande im Juni 1826 die ganze südliche Marktseit (Post) in Flammen aufging, wurde auch das Greve'sche Unternehmen mit zerstört. Friedrich Wilhelm Greve baute das Haus zwar wieder auf, verlegte dann aber um 1830 seinen Betrieb auf das Grundstück Herzberger Straße 23 (heute Eigentum Piller). Unter der Firmenbezeichnung, ,F. W. Greve jun." wurde der zwischen Borhecksgasse und Herzberger Straße gelegene Gebäudekomplex später auch mehrfach vergrößert. Greve war mit Dorette Struve (1807 — 1887), einerlbchter des Osteroder Tuchfabrikanten Wilhelm Ludwig Struve(1768 —1807) — siehe Teil 6 dieser Serie — verheiratet und hatte vier Kinder. Der älteste Sohn Friedrich Greve (1833 — 1919)führteden Betrieb bisetwa zur Jahrhundertwende. Nach dessen Tode erwarben Emilie und Agnes Blum, Töchter des Tuchfabrikanten Friedrich (Fritz) Blum (? — 1892) das Anwesen als Wohngrundstück, bis es von diesen später an die Familie Piller verkauft werden sollte.

Um 1854/55 erbaute Friedrich Wilhelm Greve zusätzlich im Augustental die, ,Wollwarenfabrik Grevenstein''. Sein eben erwähnter Sohn übernahm diese Fabrik. Laut ,,Übergabekontract" zwischen Vater und Sohn vom 24. Februar 1860 wurde das Unternehmen mit 9 000 Thalern belastet, die dem bisherigen Eigentümerin Form einer Kapitalforderung mit Eigentumsvorbehalt eingeräumt wurde. Friedrich Greve verkaufte den Betrieb aber bereits sechs Jahre später an die Firma ,,Lyding & Reinhard''. So schloß am 6. April 1866 der Fabrikbesitzer Greve mit dem Fabrikanten Heinrich Lyding aus Goslar und dem Kaufmann Eduard Reinhard aus Münden vor dem Notar Dr. König einen Kaufvertrag ab, wonach dieser „sein unweit der Stadt Osterode neben der Herzberger Chaussee belegenes, unter dem Namen Grevenstein bekanntes Fabriketablissement" an die Genannten verkaufte. Das Kaufobjekt umfaßte im Einzelnen:

1. das Wohn- und Fabrikgebäude einschließlich des Wasserrades, der drei Stirnräder und sämtlicher Transmissionen. Ferner dazu die Dampfmaschine (!), das Kesselhaus, den Dampfkessel und den Schornstein, jedoch nicht die Walkemühle mit ihren Einrichtungen (Kessel, Maschinen, Glockenzüge)

2. ein westlich vom Wohngebäude gelegenes Nebenhaus mit Anbau (Lager, Heuboden)

3. das Wollwaschhaus, jedoch ohne den darin befindlichen Kupferkessel

4. das Trockenhaus, ohne den Waschkessel

5. eine Wasserleitung (Graben) „mittels welcher dem Etablissement das Triebwasser zugeführt wird".

Ferner Hof räum, Garten und Wiese, sowei ein oberhalb der Fabrik gelegener kleiner Teich (Stauteich vom Apenkebach) und die ungeteilte Hälfte des sogenannten Teufelsbades. (Die andere Hälfte gehörte Lederfabriant Stöckicht).

Der Kaufpreis betrug 10 500 Thaler Courant. Da auf dem Grundstück die schon erwähnte Kapitalforderung von 9 000 Thalern lastete, die 1864 auf die fünf Erben (Witwe und vier Kinder) übergegangen war, zahlten die Käufer sofort 3 000 Thaler an den Verkäufer und dessen Mutter. Weitere 4 000 Thaler waren am 20. August 1866 fällig, die restlichen 3 500 Thaler wurden als Hypothekendarlehen zu 4 1/2 % Zinsen vereinbart. Dafür mußten sich die Käufer verpflichten, die Fabrik mit mindestens 5 000 Thalern gegen Feuer zu versichern. Ferner erklärten sie sich bereit,, ,die den Gewerken des Etablissements dienenden Gräben, Wasserzüge, Brücken und Wehre auf ihre Kosten stets in gehörigem Stande zu erhalten". Dafürwarensieauchberechtigt, bereits ab 1. August jenes Jahres ihre Maschinen in der neuen Hälfte des mittleren Saales im 1. Stock aufzustellen.

1874 wurde die bereits 1860 von der Firma Piedboeuf in Aachen unter der Nr.1640 gelieferte, für 3 Atm zugelassene Dampfkesselanlage überprüft und dabei Mängel festgestellt, die allerdings schnell beseitigt wurden. Zwei Jahre später baute sich Heinrich Lyding an der gegenüberliegenden Straßenseite ein recht bescheidenes Wohnhaus, das 1897 etwas erweitert wurde. 1886 hatte bereits sein Sohn Alwin Lyding die,,Wattenfabrik Grevenstein'' übernommen und im Juni 1888 wurde von diesem ein „massives, feuersicheres Comptoirgebäude" mit zwei Büroräumen und einer Musterkammer erbaut. Zu dieser Zeit bestand das Anwesen aus einem Fabrikgebäude, einem Lager und einem Packhaus. Nach dem 1. Weltkrieg sollte sich erneut ein Eigentumswechsel vollziehen. Zunächst beantragte 1919 Kurt Feibel, Berlin, die Genehmigung zum großzügigen Umbau des von ihm zunächst noch gemieteten Wohnhauses Lyding aus dem Jahre 1876 und gleichzeitig einen Anbau für das Fabrikgebäude und das Bürohaus. Nachdem er 1920 das Anwesen auch erworben hatte, baute er drei Jahre später einen Lagerschuppen und großzügige Personaltoiletten. Die bereits 1886 gegründete Firma, die sich nun „Steppdeckenfabrik D. Feibel, Inh. Kurt Feibel" nannte, sollte 1925 eine wesentliche Erweiterung ihres Hauptfabrikgebäudes durchführen. So erhielt das zweigeschossige Haus eine Verlängerung um 11,20 Meternach Osten, wo bei z.B. die beiden Fensterreihen von jeweils 13 auf 18 Fenster erweitert wurden. Außer einem bis ins Dachgeschoß reichenden zweiten Mittelgiebel, erhielt das gewaltige Dach ferner zwei große Fenstererker. Unter den Auflagen für diesen Erweiterungsbau stand, daß die Triebwerke und beweglichen Maschinenteile umwehrt" sein müßten. 1926 entstand ferner eine elektrische Aufzugsanlage (Strom für das Unternehmen lieferte eine eigene Turbine) und 1928 eine Lumpenwäscherei gleich im Anschluß an das Hauptgebäude. 20 bis 25 Kubikmeter Wasser wurden dem Betriebsgraben für diese Wäscherei entnommen und das Abwasser durch drei Gullys dem 200 Meter langen Graben so zugeführt werde,, ,daß Vieh und Fische (des Unterliegers) nicht geschädigt werden".

Noch 1935 wurde die „Steppdecken- und Bettenfabrik D. Feibel" im Branchenverzeichnis des Osteroder Einwohnerbuches aufgeführt, doch schon zu dieser Zeit hatte Kurt Feibel mit zunehmenden Schwierigkeiten zu kämpfen — er war jüdischer Abstammung. 1938 verkaufte er deshalb das gesamte Anwesen an seinen langjährigen Buchhalter und Vertrauten Ferdinand Haase (1891 — 1948). Anschließend gelang es ihm, in die USA zu emigrieren, wo noch heute seine Nachfahren leben. Nun nannte sich das Unternehmen „Osteroder Steppdeckenfabrik Haase & Co KG". In der Kunstwoll- und Wattefabrik wurden damals und noch bis lange nach dem 2. Weltkrieg Steppdecken, Daunendecken, Reform-Unterbetten, Kissen sowie Sessel- und Liegestuhlkissen produziert. Nach Ferdinand Haase's Tod 1948 führte seine Witwe die Bettwarenfabrik weiter.

1960 wurde auf dem gleichen Gelände die „Osteroder Eisen-und Stahlbau Gerke-Haase KG" als selbständige Tochtergesellschaft der Alfelder E isen werke Carl Heise KG tätig. Die Firma spezialisierte sich auf die Herstellung von Straßenbaumaschinen, insbesondere zur Produktion von Trockentrommeln, Entstaubungsanlagen und Verladesilos in Verbindung mit Großanlagen des Alfelder Werkes. Dazu entstand bis 1964 in zwei Bauabschnitten eine 120 Meter lange Halle mit 3 500 qm Fläche. Heute stehen die Gebäude dieses einstmals bekannten Unternehmens leer. Die Zukunft des Gebäudes, das zeitweise auch als Standort für einen Verbrauchermarkt ausersehen war, ist ungewiß.

Historische Zeugen der Fabrikstadt Osterode - Teil 13: Die Tuch- und Buckskinfabrik Adolph Richter

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