Der Oberbergamtsmarkscheider Eduard Borchers
Ein gebürtiger Wulftener
WULFTEN/CLZ. (WB) Den Oberharzern ist Eduard Borchers eine bekannte Persönlichkeit, gerühmt und hochgeschätzt ob seines markscheiderischen Könnens, welches sich beim Bau des Ernst-August-Stollens (1851-1864), der als sein Lebenswerk gilt, in bewundernswerter Genauigkeit offenbarte. Den heimatkundlichen Literaten aber ist er ein beliebtes Objekt für diesbezügliche Berichte und sogar auf Fotos ist er zu sehen. Allerdings wird in jüngerer Zeit von den Oberharzer Autoren gelegentlich gern verschwiegen — wegen des Lokalkolorits —, das Borchers aus dem Harzvorland stammte und in Wulften geboren und aufgewachsen ist.
Andererseits wissen die Wulftener kaum etwas über ihren einstigen Landsmann (das Kirchenbuch ist noch nicht eingesehen) und seine großen Leistungen im Markscheidewesen des Oberharzes, was vermuten läßt, daß die Familie Borchers nur vorübergehend in Wulften lebte und somit keiner alteingesessenen Wulftener Sippe angehörte. Möglicherweise war der Vater von E. Borchers Lehrer, was ja auch für den für einen Dorfjungen zu jener Zeit recht merkwürdigen Beruf eines Markscheiders (Vermessungsbeamten im Berg- und Hüttenwesen) spricht. Doch lassen wir uns vorab im Originaltextauszug darüber unterrichten, was Wilhelm Döler im HBK 1957 an Daten und Fakten über den »Oberbergamtsmarkscheider Eduard Borchers« offeriert.
»Eduard Borchers wurde am 25. Dezember 1815 in Wulften geboren und starb am 23. März 1902 in Goslar. Er besuchte die Bürgerschule seines Heimatortes und das Gymnasium in Clausthal. Von 1832-1835 besuchte er als Markscheiderelevenaspirant die Berg- und Forstschule in Clausthal. 1837 trat er als Markscheiderlehrling bei dem Berg- und Forstamt in Clausthal ein. 1840 wurde er Vize-Markscheider, nachdem er schon seit 1838 als Lehrer an der Bergschule, der späteren Bergakademie in Clausthal, tätig gewesen war. 1844 wurde er zum Markscheider, 1864 zum Bergmeister und 1868 zum Oberbergamtsmarkscheider ernannt. 1874 erhielt er den Titel eines Bergrats. 1882 trat er in den Ruhestand.
Der Bau des Ernst-August-Stollens war sein Lebenswerk. Ich habe in den 13 Jahren manche schlaflose Nacht verbracht pflegte er oft zu seinen Bergschülern zu sagen, wenn er während seiner Vorlesungen auf den Bau des Stollens zu sprechen kam. Seine Tätigkeit als Lehrer an der Bergschule gab er 1879 auf.
Als er den Stollenort nach dem letzten Durchschlage befuhr, überreichten ihm die Häuer einen schlichten Eichenkranz. Diese Ehrung seitens der Bergleute hat er hoch geschätzt und der Kranz mußte ihm, wie er es gewünscht hatte, nach seinem Tode in den Sarg gelegt werden. In Anerkennung seiner Verdienste um den Bau des Ernst-August-Stollens verlieh ihm die Hannoversche Regierung die goldene Verdienstmedaille.«
Nach diesem Originaltext wollen wir nun unsere Aufmerksamkeit dem Bau des Ernst-August-Stollens zuwenden, der als das Lebenswerk von Borchers gilt. Hierbei sollen besonders die Schwierigkeiten aufgezeigt werden, die vorrangig durch die Borcher-'sche, markscheiderische Bravourleistung gemeistert wurden, wozu deutlich gemacht werden muß, daß der damalige Stand der Vermessungstechnik nach heutigen Maßstäben als primitiv zu gelten hat.
Wie aus vorstehendem Text ersichtlich, nahm der Stollenbau nur 13 Jahre in Anspruch. Die Aufgabe des bei Gittelde mündenden Stollens bestand - und besteht noch immer - darin, die zutretenden Wasser aus den Gruben abzuziehen, wobei die Wasser aus den tieferen Teufen auf seine Sohle gehoben wurden. Seine Länge betrug im Jahre 1864 etwa 22.690 Meter, wozu später noch einige Nebenstollen — sogenannte Flügelörter — kamen, so daß schließlich eine Länge von 30.260 Metern erreicht wurde. Seine Breite beträgt im Lichten 1,68 m, bei einer Höhe von 2,50 m. Der Stollen hat ein gleichmäßiges Gefälle von 1:1 500, fällt also auf einen Meter nur 0,6 2/3 Millimeter. Besonders hier bewährte sich das markscheiderische Können Eduart Borchers, denn ein ungleiches Gefälle hätte entweder Rückstauungen mit Schlammablagerungen oder entgegengesetzt verstärkte Strömungen mit fallendem Wasserspiegel und Auswaschungen verursacht. Dazu muß man grundsätzlich wissen, daß der Stollen von neun Schächten ausgehend beidseitig vorgetrieben wurde, das heißt 18 sogenannte Stollenörter mußten - mit Gefälle oder Steigung — präzise eingemessen bzw. einnivelliert werden. Daß dann bei den jeweiligen Durchschlägen nur in Millimetern zu messende Differenzen festgestellt wurden, bestätigt Borchers Akribie und nötigt noch heute der Fachwelt größten Respekt ab.
Die Arbeiten zugleich an 18 Punkten anzusetzen, hatte den Vorteil, daß der Stollen geradezu in einer Rekordzeit fertiggestellt werden konnte. An dieser baldigen Fertigstellung aber waren die wassernötigen Oberharzer Grubenbaue dringend interessiert, weil sonst ihre Auflassung wegen der aus größerer Tiefe nicht mehr zu bewältigenden Wassermassen drohte. Vom schnellen und glücklichen Vortrieb des Ernst-August-Stollens hing also damals im nicht geringen Maße die Existenz des Oberharzer Bergbaues ab. Daß der schnelle und glückliche Vortrieb des Stollens gelang, ist im hohen Maße das Verdienst von »Oberbergamtsmarkscheider Eduard Borchers«, auf den die Oberharzer heute mit gutem Recht stolz sind. Die Wulftener aber sollten es erst recht sein, denn Borchers war einer der Ihren. (Vielleicht sollte man eine Straße in Wulften nach ihm benennen, um die Erinnerung an ihn zu wecken und wachzuhalten.)